Warum hat Design Thinking so viel Potenzial?
Warum hat Design Thinking so viel Potenzial?
Design Thinking ist menschenzentriert.
Design Thinking lebt eine konsequent-radikale Nutzerorientierung. Das klingt etwas technisch, aber der „Nutzer“ kann viele Gesichter haben. Da geht es um den Käufer, den Konsumenten, den Mitarbeiter, den Anwender, den Radfahrer, den Schüler, den Obdachlosen, das Vereinsmitglied, den Kollegen, die Jugend, den Stadtbewohner, die Bevölkerung eines Landes, die Menschheit…. Und alle immer weiblich, männlich und divers.
Der große Vorteil im Prozess liegt darin, dass neben einer fachlichen Datenanalyse schon sehr früh versucht wird, genau diese Zielgruppe zu verstehen. Wirklich zu verstehen. Dies kann nur durch einen empathischen Ansatz gelingen. Es geht darum, herauszufinden, was mein Nutzer wirklich, wirklich will.
Es geht also um Bedürfnisse.
Needfinding
Needfinding bedeutet Bedarfsfindung. Die Enthüllung der Nutzerbedürfnisse steht im Fokus. Probleme werden dadurch erst verständlich. So können später Lösungen entstehen, die aus Nutzersicht überzeugend sind.
Der Kontakt zu potenziellen Nutzern ist essenziell. Den Alltag oder das Kaufverhalten dieser Menschen nicht zu kennen bedeutet, kontinuierlich Annahmen zu treffen, auf die sich die laufenden Entscheidungen im Projekt stützen. Im Design Thinking Prozess wird daher Zeit investiert, um „in den Schuhen der Nutzer“ zu gehen. Die Bedürfnisse, Möglichkeiten und Erfahrungen der Nutzer zu verstehen und zu verinnerlichen ist die Basis für das Funktionieren einer Innovation.
Bedürfnisse sind die eigentliche Motivation der Menschen. Dabei gibt es zwei Ausprägungen. Entweder man möchte etwas nicht Vorhandenes ermöglichen, d.h. etwas Positives für den Nutzer schaffen (Gain) oder etwas nicht Gewolltes abschaffen (Pain) und somit einen Problemlöser kreieren. Das Needfinding konzentriert sich auf die Identifikation dieser Bedürfnisse, die prinzipiell durch Beobachtung, Interviews oder Teilnahme an der Situation erreicht werden kann.
Je punktgenauer man diese Bedürfnisse bedienen kann, desto erfolgreicher ist die spätere Lösung. Jene Unternehmen, die mit ihrem Lösungsansatz die Bedürfnisse ihrer Nutzer erfüllen, tun sich leicht, ihr Angebot am Markt zu positionieren.
Von einer Innovation spricht man aus Unternehmersicht dann, wenn existierende Bedürfnisse potenzieller Nutzer erfüllt werden können und mit den gegebenen Möglichkeiten und einer ausgewogenen Kosten-Nutzen-Relation wirtschaftlich und technisch machbar sind.
Perspektivenwechsel
Methodisch gibt es eine breite Palette an Möglichkeiten sich in diesen Perspektivenwechsel zu begeben. Wichtig dabei ist es, herauszufinden wie der potenzielle Nutzer in der konkreten Problemsituation denkt und fühlt, was er sieht und hört und was er sagt und tut. Diese Parameter können beispielsweise im Vorhinein in einer Empathy Map abgebildet werden.
Nach deren Erarbeitung können konkrete Bedürfnisannahmen abgeleitet werden. Aber Vorsicht – die Ergebnisse sind trotz aller Empathie noch ungeprüfte Hypothesen. Das ist noch immer Theorie.
Durch den Perspektivenwechsel erhält man häufig erst den Blick auf die wahren Bedürfnisse.
Neugier ist jetzt das Gebot der Stunde. Für viele bedeutet dies, die Komfortzone zu verlassen, mit Menschen in Kontakt zu treten und mit ihnen zu sprechen, um neue Blickwinkel auf die Fragestellung zu bekommen. Es bedeutet auch mit einer offenen und empathischen Haltung bereit sein, Neues zu erfahren und das situative Problemwissen anzureichern.
Die größte Herausforderung für den Beobachter oder Interviewer ist es jetzt, sich von den eigenen Annahmen zu befreien und keine Lösungen im Kopf zu haben. Dies gelingt am ehesten, wenn das Gespräch einen logischen Ablauf hat. Daher ist eine gute Vorbereitung unabdingbar. Eine Fragenlandkarte für ein offenes Interview ermöglicht später den Verlauf des Gespräches zu reflektieren und systematisch Erkenntnisse zu gewinnen.
Eine gute Vorbereitung schafft auch beim Gesprächspartner schneller eine Vertrauensbasis und ermöglicht die notwendige Gesprächsatmosphäre für den Dialog. Vor allem am Ende eines Interviews sollte man dem Gesprächspartner ausreichend Zeit geben, um Fragen zu stellen. Häufig passieren die interessantesten Dinge ganz am Ende.
Conclusio
Design Thinking ist ein menschenzentrierter Ansatz. Dies bedeutet, dass man bereits sehr früh im Prozess versucht, die wahren Bedürfnisse seiner Nutzer zu erkunden (Needfinding). Die Bedürfnisse sind die eigentliche Motivation der Menschen. Wer diese am besten bedienen kann, hat einen klaren Wettbewerbsvorteil.
Die einzige Möglichkeit für ein gelungenes Needfinding ist der Perspektivenwechsel. Methodisch bedeutet dies Beobachtung, Interview oder Teilnahme an der problembesetzen Situation. Die wahre Herausforderung im Perspektivenwechsel ist die innere Haltung. Das offene und empathische Aufnehmen der Bedürfnisse der Nutzer und gleichzeitig die eigenen Annahmen und Lösungsansätze auszublenden ist das schwierigste Unterfangen in dieser Phase.
Für WeiterleserInnen:
Das Design Thinking Playbook, Herausgeber: Michael Lewrick, Patrick Link, Larry Leifer, Verlag Franz Vahlen GmbH